Dr. Martin Kronenberg
Die eigentliche Geschichte der Kriegsnagelungen beginnt am 6. März 1915 mit der feierlichen Einweihung des „Wehrmanns in Eisen“ auf dem Schwarzenbergplatz in Wien. Dort hatte man eine
mittelalterliche überlebensgroße Ritterfigur aus Lindenholz des Bildhauers Josef Müllner aufgestellt, in die jedermann gegen Zahlung eines bestimmten Betrages Spendennägel einschlagen konnte. Die
Aktion, deren Erlös man für die Unterstützung der Witwen und Waisen verwendete, wurde ein großer Erfolg und breitete sich epedemieartig in Österreich und Deutschland aus. Nahezu jede größere
Gemeinde und viele karikativ tätige Vereine, wie zum Beispiel das Rote Kreuz, griffen den Gedanken auf und errichteten Kriegswahrzeichen, um die kommunalen Sozialfonds aufzufüllen und Kriegsopfer
unterstützen zu können. Im Gegensatz zu den Nagelungen in der Antike und im Mittelalter verfolgte man im Ersten Weltkrieg vorrangig keine magischen Ziele, z. B. im Sinne des heidnischen Bann- und
Schadzaubers, sondern verstand das Kriegsnageln vor allem als eine symbolhafte gegenseitige Verpflichtung der Nagelnden, die Hinterbliebenen der kämpfenden Truppe zu unterstützen und ihre
Solidarität mit der militärischen Front symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Die Nagelungen waren also nicht nur eine spektakuläre neue Form der Beschaffung von Geldmitteln, sondern hatten weitere
Funktionen, z. B. um den Patriotismus und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen an der „Heimatfront“ zu stärken sowie als Kriegerdenkmal. So nagelte man z. B. in Berlin den „Eisernen Hindenburg“,
in Hannover das „Eiserne Sachsenross“, in Bad Hall „Herzog Tassilo“, in Salzburg „Kaiser Karl den Großen“ und in Innsbruck den „Eisernen Blumenteufel“. Sehr beliebt waren neben historischen
Figuren als Motive vor allem Eiserne Kreuze, Wehrschilde, Wehrmänner, Stadtwappen, Soldaten, Tierfiguren, Granaten und Kanonen, Tische, Türen u.v.a. Versuche der Behörden, die Nagelobjekte zu
vereinheitlichen, scheiterten, wie die Vielfalt der überlieferten gewählten Formen und Motive zeigt.
Die Nationalsozialisten griffen die erfolgreiche Idee der Nagelungen auf und wieder wurde die Spendenaktion ein großer Erfolg.
Zwar ist aufgrund der teilweise recht schlechten Quellenlage eine vollständige Erfassung der Nagelungen nicht möglich, die Überlieferungen reichen jedoch aus, um einen Überblick über das Ausmaß
und den Erfolg der Aktionen zu bekommen.
Im August 2020 ist ein Buch von mir über die "Spendennagelungen im Dritten Reich" im GRIN-Verlag (391 Seiten) veröffentlicht worden. Zudem ist 2021 eine umfangreiche Dokumentation über die „Kriegsnagelungen in der Donaumonarchie Österreich-Ungarn 1914-18“ („Eisern war die Zeit", 701 Seiten) im GRIN-Verlag erschienen. Sie hat als E-Book die ISBN 9783346414830 und kostet 39,99 Euro (https://www.grin.com/document/1014845). Die Printversion kostet 49,99 Euro (ISBN 9783346414847).